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Meinungen

01/23 Lesedauer: min

Stimmungsbild zum EU Data Act

Daten sind zu einem wesentlichen Treiber der Wirtschaft im Allgemeinen und der Digitalwirtschaft im Speziellen geworden. Die Chancen und Risiken dieser Entwicklung haben auch die Politik auf den Plan gerufen. Insbesondere die EU versucht sich mit diversen Gesetzen an einer Regulierung. Jüngstes Projekt ist der „EU Data Act“, der sich mit Datenzugang und Datennutzung beschäftigt.

Bild: Dragon Claws / Shutterstock

Eines kann man der EU mittlerweile nicht mehr vorwerfen - dass sie sich gesetzgeberisch nicht mit den Chancen und Folgen der Digitalisierung beschäftigen würde. So sind zum Beispiel erst Ende 2022 mit dem Digital Markets Act (DMA) und dem Digital Services Act (DSA) wegweisende EU-weite Vorschriften in Kraft getreten. Der DSA regelt die Haftung von digitalen Vermittlungsdiensten für illegale Inhalte, die Nutzer hochgeladen haben, und führt Sorgfaltspflichten für die Anbieter ein, um die negativen Auswirkungen von Onlinediensten einzudämmen. Der DMA trifft wettbewerbliche Verhaltensregelungen für große Plattformen mit Gatekeeper-Funktion, um die Marktmacht der großen Digitalkonzerne zu begrenzen. Nun befindet sich gerade der „EU Data Act“ im Gesetzgebungsverfahren und das Thema Künstliche Intelligenz hat die EU längst auf dem Schirm.

Hehre Ziele, beste Absichten

Mit dem EU Data Act sollen weitreichende Regelungen zum Datenzugang und zur Datennutzung geschaffen werden. Die Ziele und Absichten des Gesetzesvorhabens beschreibt eine Mitteilung des EU-Parlaments vom 14. März, die im Internet abrufbar ist, so (www.europarl.europa.eu/news/de/press-room/20230310IPR77226/datengesetz-neue-regeln-fur-fairen-zugang-zu-und-nutzung-von-industriedaten): Das Gesetz legt demnach Regeln für den Austausch und die gemeinsame Nutzung von (nicht-personalisierten) Daten fest, die durch die Verwendung vernetzter Produkte wie Windkraftanlagen, intelligenter Hausgeräte oder moderner Autos oder damit verbundenen Dienste im Internet der Dinge erzeugt werden. Zugleich will die Gesetzgebung Bedingungen für „faire Datenverträge zwischen Verbrauchern und Herstellern“ sicherstellen.

Noch ist der Gesetzestext auf seinem Weg durch die EU-Institutionen. Am 23. Februar hat die EU-Kommission einen Verordnungsvorschlag angenommen. Mitte März stimmte das EU-Parlament mit breiter Mehrheit (500 Ja-Stimmen, 23 Nein, 110 Enthaltungen) einem abgeänderten Text zu. Nun stehen die sogenannten Trilog-Verhandlungen zwischen Parlament, EU-Kommission und Mitgliedstaaten an.

Pilar del Castillo, federführende Europa-Abgeordnete für den EU Data Act, Europäische Volkspartei (EVP)
"Das Datengesetz wird ein Wendepunkt sein, der den Zugang zu einer fast unendlichen Menge an hochwertigen Industriedaten ermöglicht. Wettbewerbsfähigkeit und Innovation sind Teil seiner DNA"

Kontroverse Meinungen aus Deutschland

Diese Entschließung des EU-Parlaments hat zahlreiche Reaktionen in Politik und Wirtschaft provoziert. Wir haben die Kernaussagen wichtiger Stellungnahmen zusammengefasst. Im folgenden finden Sie Stellungnahmen von BDI, Bitkom, HDE, VDMA - und von Volker Wissing, dem Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur. Sie werden sehr ausführlich zitiert, um den Argumentationsgang nachvollziehbar zu machen. Meist begrüßen die Verbände grundsätzlich das Gesetzesvorhaben, um dann mehr oder weniger harte Kritik in Einzelpunkten zu üben.

Generell begrüßen die Verbände das Gesetzesvorhaben, um dann mehr oder weniger harte Kritik in Einzelpunkten zu üben. Drei Schwachstellen monieren sie vor allen Dingen: Die vorliegende Fassung des Gesetzes berücksichtige zu wenig den Schutz von Geschäftsgeheimnissen, räume der öffentlichen Hand zu weitreichende Zugriffsrechte auf Daten ein, schaffe Rechtsunsicherheit durch eine zu weite Definition von Begriffen wie Daten und Produkte, greife etwa beim Wechsel des Cloud-Anbieters zu streng in die Vertragsfreiheit der Unternehmen ein und differenziere nicht hinreichend zwischen den Geschäftsbeziehungen von Unternehmen und Verbrauchern (B2C) und zwischen Industrieunternehmen (B2B).

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Dr. Moritz Holzgraefe, Vizepräsident Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) e.V.
"Bei der Datenteilung enthält der Vorschlag mit einer Verpflichtung in Bezug auf IoT-Daten einen völlig neuen Ansatz, der die Data Economy auf Jahre – im Guten wie im Schlechten – prägen wird"

„Mit dem Data Act erkennt der Gesetzgeber den Stellenwert von Daten für die europäische Digitale Wirtschaft ausdrücklich an. Dabei versucht der ambitionierte Vorschlag, viele Themen beim Umgang mit Daten und in Verbindung mit diversen Stakeholdern von Verwaltung über Unternehmen bis zu Konsumenten zu bündeln. Insbesondere bei der Datenteilung enthält der Vorschlag mit einer Verpflichtung in Bezug auf IoT-Daten einen völlig neuen Ansatz, der die Data Economy auf Jahre – im Guten wie im Schlechten – prägen wird. Um die Datenwirtschaft in Europa zu fördern und zu stärken, braucht es einen einheitlichen, widerspruchsfreien Rechtsrahmen. Dieser sollte praxisorientiert und wie ein Puzzle mit ineinandergreifenden Rechtsakten ausgestaltet sein. Die Digitalisierung weiter siloartig zu regulieren und bestehende Gesetzgebung wie die Datenschutzgrundverordnung oder die ePrivacy-Richtlinie zu konterkarieren, führt jedoch nur zu Unklarheiten und mehr Rechtsunsicherheit.“

Dr. Moritz Holzgraefe, Vizepräsident Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) e.V.

Achim Berg, Präsident, Bitkom e.V.
„Der Data Act ist aktuell eines der wichtigsten Regulierungsprojekte auf EU-Ebene und entscheidet maßgeblich darüber, ob Europa auf dem Weg in die digitale Welt vorankommt"

„Der Data Act ist aktuell eines der wichtigsten Regulierungsprojekte auf EU-Ebene und entscheidet maßgeblich darüber, ob Europa auf dem Weg in die digitale Welt vorankommt. Dem Europäischen Parlament ist es nicht wirklich gelungen, die vielen Strickfehler des Kommissionsvorschlags zu beseitigen. In seiner aktuellen Fassung würde der Data Act weiterhin Unternehmen auch zum Teilen von Geschäftsgeheimnissen zwingen. Dem Ziel der digitalen und technologischen Souveränität erweist der Data Act mit seinen Vorschlägen einen Bärendienst. Besonders kritisch ist auch, dass der Data Act derzeit wichtige Begriffe wie Daten oder Produkte sehr breit definiert, so dass der Anwendungsbereich nahezu unbegrenzt groß ist. Für dringend verbesserungswürdig hält Bitkom zudem Regelungen, die in den Wettbewerb und die Vertragsfreiheit der Unternehmen beim sogenannten Cloud Switching eingreifen. Wir unterstützen das Ziel, den Anbieterwechsel im Cloud-Bereich zu erleichtern, der jetzt eingeschlagene Weg über maximale Wechselfristen ist aber zu starr und wird den Anforderungen der Praxis nicht gerecht.“

Achim Berg, Präsident, Bitkom e.V.

Iris Plöger, Mitglied der Hauptgeschäftsführung des BDI
"Damit der EU Data Act nicht zum Boomerang für die Datenökonomie wird, muss der legitime Schutz von Geschäftsgeheimnissen aufrechterhalten und eine echte Ausnahmeregelung von einer Datenbereitstellungspflicht aufgenommen werden"

„Der EU Data Act ist ein fundamentaler Eingriff in die Spielregeln der europäischen Datenwirtschaft für die gesamte Industrielandschaft. Sollten die angestrebten Datenteilungspflichten kommen, werden Forschung und Innovation am Standort Europa nicht angetrieben, sondern ausgebremst. Zahlreiche inhaltliche Fragen bleiben ungeklärt, die daraus resultierenden Rechtsunsicherheiten dürfen nicht auf dem Rücken der Unternehmen ausgetragen werden. Die EU-Datenwirtschaft muss auch in Zukunft auf gegenseitigem Vertrauen der Akteure und Investitionsanreizen basieren. Damit der EU Data Act nicht zum Boomerang für die Datenökonomie wird, muss der legitime Schutz von Geschäftsgeheimnissen aufrechterhalten und eine echte Ausnahmeregelung von einer Datenbereitstellungspflicht aufgenommen werden. Die Industrie erwartet eine noch deutlichere Haltung des Europäischen Parlaments in den bevorstehenden Trilog-Verhandlungen.“

Iris Plöger, Mitglied der Hauptgeschäftsführung des BDI

Stephan Tromp, Stellvertretender Hauptgeschäftsführer des HDE
"Neue Regeln sollten sich aber immer an dem orientieren, was technisch machbar und wirtschaftlich tragfähig ist"

„Wir brauchen einen wettbewerbsfähigen Datenmarkt und mehr Fairness im digitalen Umfeld. Neue Regeln sollten sich aber immer an dem orientieren, was technisch machbar und wirtschaftlich tragfähig ist. (…) Mit einigen Vorgaben wird zu weit in die unternehmerische Freiheit eingegriffen. Durch Datenzugangs- und Informationspflichten sowie Einschränkungen der Vertragsfreiheit ergeben sich sektorübergreifend starke gesetzgeberische Eingriffe, die im Einzelhandel nicht zwangsläufig nötig wären. Für die gemeinsame Nutzung von Daten ist ein pragmatischer Ansatz gefragt. Neben der technischen und wirtschaftlichen Umsetzbarkeit ist auch wichtig, dass neue Regelungen mit sich überschneidenden Rechtsvorschriften, insbesondere der Datenschutz-Grundverordnung, im Einklang stehen."

Stephan Tromp, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des HDE

Hartmut Rauen, Stellvertretender Hauptgeschäftsführer des VDMA e.V.
"In der konkreten Ausgestaltung des Data Acts sehen wir aber immer noch zu viele Risiken für die datenbasierten Geschäftsmodelle der Unternehmen des Maschinen- und Anlagenbaus"

„Der VDMA unterstützt das Ziel, eine Datennutzung im Binnenmarkt zu fördern. In der konkreten Ausgestaltung des Data Acts sehen wir aber immer noch zu viele Risiken für die datenbasierten Geschäftsmodelle der Unternehmen des Maschinen- und Anlagenbaus. Die im EU-Parlament verabschiedete Version bringt zwar kleine Verbesserungen, allerdings werden die Belange des Industriegeschäfts immer noch nicht hinreichend berücksichtigt. Es ist ein zentraler Konstruktionsfehler des Data Acts, dass Geschäftsbeziehungen zwischen Unternehmen und Verbrauchern (B2C) und zwischen Industrieunternehmen (B2B) nicht hinreichend differenziert behandelt werden. Der VDMA fordert für den Trilog, insbesondere die für den B2B-Datenaustausch unbedingt notwendigen vertraglichen Freiräume im Data Act vorzusehen und nicht unnötig in Geschäftsbeziehungen einzugreifen. Auch der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen muss weiterhin effektiv gewährleistet werden können. Neben inhaltlichen Aspekten muss auch für praxisgerechte Übergangsfristen gesorgt werden. Richtig gemacht, kann der Data Act aber Nährboden eines führenden europäischen Ökosystems einer intelligent vernetzen Produktion werden. Gerade der Maschinenbau kann hier eine zentrale Rolle einnehmen. Es wäre schade, wenn diese Chance vergeben wird."

Hartmut Rauen, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des VDMA e.V.

Volker Wissing, Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur
"Wir wollen, dass Daten in ganz Europa für Innovationen nutzbar gemacht werden, ohne die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Firmen einzuschränken"

„Wir wollen, dass Daten in ganz Europa für Innovationen nutzbar gemacht werden, ohne die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Firmen einzuschränken. Deshalb habe ich mich in den Verhandlungen zum Data Act dafür eingesetzt, Unternehmen vor zügellosem staatlichen Zugriff auf Ihre Daten zu schützen. Wir konnten wesentliche Verbesserungen erzielen: Start-Ups, klein- und mittelständische Unternehmen werden durchgehend privilegiert, ihre Geschäftsgeheimnisse und Eigentumsrechte gewahrt, gleichzeitig sollen sie leichten Zugang zu Daten bekommen. Es braucht einen fairen Wettbewerb und mehr Anreize, Daten zu teilen zwischen öffentlichen Stellen und in der Wirtschaft. In den Verhandlungen mit dem Europäischen Parlament wird es jetzt darum gehen, die richtige Balance zu finden zwischen Investitionsschutz und möglichst breiter Datenverfügbarkeit, aus der neue Geschäftsmodelle erwachsen können. Nur mit einer austarierten Lösung kann der Data Act sein Ziel erreichen: In Europa mehr und bessere Daten bereitstellen!"

Volker Wissing, Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur

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