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Standpunkt

01/23 Lesedauer: min

Wo bleibt das "Deutschland-Tempo"
bei Digitalisierung der Verwaltung?

Dass Deutschland bei der Digitalisierung bestenfalls Mittelmaß ist, hat sich rumgesprochen. Dabei könnte gerade die Verwaltungsdigitalisierung helfen, Bürokratie abzubauen und für Bürger und Business gleichermaßen einen Schub bedeuten.

YIUCHEUNG / Shutterstock

Für Berliner Unternehmen wie auch für die Bürgerinnen und Bürger der Bundeshauptstadt muss es wie ein verfrühter Aprilscherz geklungen haben: Berlin steht laut dem „Local Online Services Index (LOSI)“, einer UN-Studie aus dem Jahr 2022, gemeinsam mit Madrid an der Weltspitze, was digitale Verwaltungsdienstleistungen angeht. Berlin, digitale Verwaltung, Weltspitze! Das Ranking, das im Übrigen gravierende methodologische Schwächen aufweist, ist derweil wohl das einzige positive Zeugnis deutscher Verwaltungsdigitalisierung. Überall sonst spielen wir im unteren Mittelfeld mit. Sowohl im europäischen Vergleich (Platz 18 im DESI; digitale öffentliche Dienste) als auch im globalen Vergleich (Platz 22 im UN E-Government Survey) wird Deutschland eine unterdurchschnittliche Performance bescheinigt.

Gerissene Fristen überall

Herzstück der Verwaltungsdigitalisierung war das Onlinezugangsgesetz (OZG). Und dessen Auftrag war seit 2017 klar definiert: Bis zum 31. Dezember 2022 sollten 575 Bündel von Verwaltungsleistungen online abrufbar werden. Fünf Jahre war Zeit für eine effektive Verwaltungsdigitalisierung. Ergebnis: zum Stichtag waren gerade einmal rund 100 Leistungen flächendeckend online. Das OZG ist (ziemlich krachend) gescheitert!

Und schon bald wird die nächste Frist gerissen. Dieses Mal gesetzt von Brüssel: Bis zum 12. Dezember 2023 müssen alle EU-Länder Digitalisierungsziele im Rahmen des „Single Digital Gateway“ (SDG) erreichen. Deutschland hinkt hinterher. Warum? Weil die erhofften „Verbundeffekte“ dank zu langsamer OZG-Umsetzung nicht greifen. Verdikt: Verwaltungsdigitalisierung und E-Government kommen hierzulande weiterhin kaum beziehungsweise viel zu langsam voran.

Digitalisierung baut Bürokratie ab

Wie wichtig die Themen „Moderner Staat, Digitaler Aufbruch und Innovationen“ den drei Ampel-Parteien eigentlich sind beziehungsweise sein müssten, lässt sich gut im Koalitionsvertrag nachlesen: Faktisch die erste konkrete Ankündigung lautet darin: „Die Verwaltung soll agiler und digitaler werden“ (S.7). Dementsprechend überrascht es nicht, dass schnell ein OZG-Nachfolger auf die Straße beziehungsweise in die Amtsstuben gebracht werden soll. Doch der Entwurf des OZG-Änderungsgesetzes hat neben einigen positiven Ansätzen – etwa die Once-Only-Klausel oder die Einführung von bundesweit einheitlichen Bürger- und Unternehmenskonten – auch einen entscheidenden Schwachpunkt: Es fehlen Fristen darin. Zwar ist es richtig, dass die Verwaltungsdigitalisierung eine Daueraufgabe ist, dennoch hat der durch die (wohlgemerkt gerissene) Frist erzeugte Zeitdruck zumindest so etwas wie Verbindlichkeit erzeugt.

Verbindlichkeit ist ein gutes Stichwort, denn die ist wichtig für die Interaktion zwischen mittelständischer Wirtschaft und Verwaltung. Und Interaktion gibt es viel, leider aber oft unnötig. Gerade kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sind besonders von bürokratischen Belastungen betroffen. Regelmäßig befragt der Deutsche Mittelstands-Bund (DMB) seine Mitglieder zu aktuellen Herausforderungen: Regelmäßig wird die Bürokratie als größter Schmerzpunkt benannt.

Fazit & Ausblick

Eine digitale Verwaltung ist DER wichtigste Hebel für Bürokratieabbau – und damit für effektive Entlastung für KMU. Alle derzeitigen Maßnahmen, etwa „One-In-One-Out“, sind Bürokratiebremsen, kein Bürokratieabbau. Dieser wäre aber dringend notwendig, wie man an einigen aktuellen Beispielen leicht erkennen kann: Stichwort „Elektronische Grundsteuererklärung“, Stichwort „Fachkräfteeinwanderung“, Stichwort „Auszahlung von Unternehmenshilfen“.

Kurzum: Es geht bei der Verwaltungsdigitalisierung unter anderem darum, das Leben für Unternehmerinnen und Unternehmer einfacher zu machen. Das viel zitierte neue „Deutschland-Tempo“ muss jetzt bei der Verwaltungsdigitalisierung greifen – und erstmals überhaupt Tempo aufnehmen.

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Matthias Bianchi

Matthias Bianchi ist Leiter Public Affairs beim Deutschen Mittelstands-Bund e.V. (DMB).