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Green Cloud

2/23 Lesedauer: min

Die Cloud muss grün werden

Das Thema Nachhaltigkeit wird immer wichtiger. Unternehmen müssen daher mehr tun, um die festgeschriebenen Klimaziele zu erreichen.

Bild: Shutterstock / Timofeev Vladimir

Der IT-Sektor ist für etwa vier Prozent des weltweiten CO2-Ausstoßes verantwortlich und liegt damit noch vor anderen Branchen wie der Luftfahrt oder der chemischen Industrie. In Deutschland hat der Energiebedarf im Jahr 2020 die Schwelle von 16 Milliarden kWh überschritten, was rund 6,1 Millionen Tonnen Kohlendioxid erzeugt. Das ist nicht nur schlecht für die Umwelt, sondern verursacht zudem signifikante Energiekosten für die Unternehmen. In Anbetracht der steigenden Preise und des Drucks von Seiten der Gesellschaft und der Politik ist ein strategischer Klimaschutz-Ansatz unumgänglich. Die Cloud muss grün werden.

Der Energiebedarf, um Daten zu erstellen, zu speichern, zu bewegen und zu verarbeiten ist gewaltig und wächst in einer noch nie dagewesenen Geschwindigkeit. Das weltweite Datenaufkommen verdoppelt sich im Durchschnitt alle drei Jahre, laut einer IDC-Studie auf 181 Zettabyte im Jahr 2025. Ein Zettabyte entspricht einer Milliarde Terabyte. Die Datenflut treibt die Energiespirale weiter an.

Cloud & Klimaschutz

Der Gang in die Cloud ist nicht aufzuhalten, selbst in Deutschland. Inzwischen hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass Daten in der Cloud besser aufgehoben sind. Die Migration bringt aber in Sachen Klimaschutz gar nichts, wenn die Unternehmen parallel On-Premise das lokale Rechenzentrum weiterbetreiben. Hier muss viel mehr geschehen.

Tim Christophersen, Vice President für Climate Action bei Salesforce, meint: "Die Klimakrise ist eine der größten Krisen unserer Zeit - viele Unternehmen haben das erkannt und bekennen sich zu ihrer Verantwortung, indem sie beispielsweise ihren Betrieb klimaneutral umgestalten und ihre Strategie sowie ihr Geschäftsmodell auf deren Nachhaltigkeit hin überprüfen und transformieren." Das sei längst kein Nice-to-have mehr, sondern in vielerlei Hinsicht geschäftskritisch, angefangen bei neuen Richtlinien und Regularien für den Nachweis der CO2-Bilanz bis hin zu den Erwartungen der Kunden an die Klimafreundlichkeit der Unternehmen und Marken, von denen sie Produkte und Dienstleistungen beziehen.

Druck kommt auch aus der Politik, die etwa vorschreibt, dass ab 2027 alle neuen Rechenzentren klimaneutral sein müssen. Unter dem Strich muss sich jedes Unternehmen seiner Verantwortung bewusstwerden und dementsprechend handeln. "Dabei sollte man nicht in die Falle tappen und alle Maßnahmen an externe Dienstleister abschieben - schließlich sind wir alle für unser eigenes Verhalten verantwortlich", so Christophersen.

Tobias Deml, Head of Cloud Engineering bei Oracle, sieht in der Thematik der Emissionen einen großen Hebel. "Es wird wie in jedem ökologischen Zyklus eine Art Atmungs-Effekt geben." Zunächst erfolge ein sehr großes Wachstum, und dann eine Verdichtung und eine Steigerung der Effizienz. Cloud könne ein bedeutendes Instrument dafür sein. "Wir als Oracle sind ein Werkzeug, weil wir einen Endkunden, der seine IT selbst betreibt, überzeugen können, dass wir das viel effizienter und in größeren Skalierungen bewerkstelligen können."

Tim Christophersen, Vice President für Climate Action bei Salesforce (Bild: Salesforce)
"Man sollte nicht in die Falle tappen und alle Maßnahmen an externe Dienstleister abschieben - schließlich sind wir alle für unser eigenes Verhalten verantwortlich."

Exponentielles Datenwachstum

Studien besagen, dass das Datenaufkommen weiterhin exponentiell am Steigen ist. Es geht also um die Frage, wie man das unter einen Hut bekommt: auf der einen Seite immer mehr Daten, und auf der anderen Seite gleichzeitig versuchen, das Ganze effizienter und letztendlich klimaneutral zu verarbeiten.

"Das Stichwort ist auch hier Effizienz", so Tobias Deml. "Speziell die vergangenen fünf Jahre sind davon geprägt gewesen, dass alle Firmen alle Daten gesammelt. ´Data is the new oil´ lautete der Slogan. Da jetzt extrem viele Daten bei den Unternehmen vorliegen, kommt die Erkenntnis auf, dass das vielleicht nicht die beste Idee ist, alle Daten zu halten und jeglichen Datensatz für immer aufzuheben. Das verursacht einen großen Energiebedarf und einen gewissen Aufwand."

Allmählich halte der Effizienzgedanke Einzug. "Wir merken bereits bei vielen Kunden, dass inzwischen eine Datenverdichtung stattfindet, zusammen mit dem Thema Machine Learning und Data Science. Es ist nicht entscheidend, allen Daten zu besitzen, sondern eine Pattern Recognition, also eine Mustererkennung vorherrschen zu lassen. So wird die Zukunft aussehen."

Als Beispiel führt Deml eine Versicherung an, die Risikoabwägungen betreibt. Dort sind Daten zu allen Risiken in jeglicher Form von vor zehn Jahren nicht so essentiell, aber gewisse Muster sind wichtig. Also Muster etwa bestimmter Trocknungsraten von Wäldern oder andere Themen, die heute noch historisch aufbewahrt werden. "Hier kommen Data Catalogs ins Spiel, dass man sagt, ich klassifiziere erstmal meine Daten und schaue, was sind die wichtigen Daten, die ich nicht verdichten darf, und welche Daten verdichte ich mehr. Über diese Dimension kann man eine wesentlich bessere und effizientere Datenhaltung hinbekommen - indem man sich mehr auf die Patterns fokussiert und nicht auf die Daten selbst."

Das Datenvolumen und der damit verbundene Energiebedarf wachsen in den kommenden Jahren weiter sehr stark an. (Quelle: Statista/IDC)

Footprint einer Cloud-Migration

Wenn ein Unternehmen seine Infrastruktur und seine Workloads in die Cloud verlagert, dann könnte es behaupten, dass jetzt andere dafür zuständig seien und man seinen Teil erledigt habe. Doch die klimatischen Vorzüge einer Migration sind schwer zu fassen, und an vielen Stellen können Unternehmen zusätzlich ansetzen, um ihre CO2-Bilanz zu verbessern.

"Die Migration in ein Cloud-Ökosystem hat den Vorteil, dass der Provider die Kernkompetenz einer effizienten IT nutzen kann", führt Tobias Deml aus. "Als Cloud-Anbieter haben wir das Interesse, möglichst effizient zu sein. Wir haben feste Service-Preise und wollen natürlich möglichst wenig Energie dafür verbrauchen. Wir haben beispielsweise auch große Verträge mit Hardware-Anbietern wie AMD, Intel und Nvidia, um immer die neuesten, energieeffizienten Generationen an Hardware zur Verfügung zu stellen und für die gleichen Workloads weniger Energie zu verbrauchen. Wenn ein Endkunde in unsere Cloud geht, dann hat er die neuesten Technologien zur Verfügung. On-Premise hätte man damit Schwierigkeiten. Angesichts der typischen Lebenszyklen von Hardware können Unternehmen nicht einfach schnell wechseln."

Das betrifft nicht nur den Stromverbrauch und die Effizienz, sondern auch die Supply Chain rückt zunehmend in den Fokus. In den USA gibt es eine Scope-3-Betrachtung, die Herstellung, Nutzung und das Recycling bewertet. Die Einteilung erfolgt wie folgt: Scope-1-Emissionen sind direkte Emissionen aus Quellen, die direkt von Unternehmen verantwortet oder kontrolliert werden. Scope-2-Emissionen sind indirekte Treibhausgasemissionen aus eingekaufter Energie. Scope 3 umfasst alle indirekten Emissionen, die entlang der Wertschöpfungskette von Unternehmen entstehen.

"Wir sind hier stark engagiert", betont Deml. "Unsere Supply Chain ist sehr transparent für regulatorische Behörden und auch für Endkunden. Und wir stellen selbst her, wo andere Firmen zukaufen müssen. Deswegen können wir Einfluss nehmen, effiziente Hardware herstellen und auch wieder recyceln. Für Unternehmen, die regulative Workloads haben oder Latenz-sensitive Workloads, kann es sehr schwierig sein, diese in die Cloud zu heben. Das hat dann nichts mit Vertrauen in die Anbieter zu tun, sondern mit Physik. Latenz ist einfach da. Wir haben ein Projekt mit der Deutschen Bank, wo wir es schaffen konnten, den Energiebedarf durch unsere Customer-Lösungen um 50 Prozent zu reduzieren, weil wir diese Hardware, die wir in der Cloud benutzen, dem Kunden ins Rechenzentrum stellen können, um genau die Technologie, die uns in der Cloud Effizienz verschafft, auch On-Premise zu nutzen."

Exkurs: Power Usage Effectiveness (PUE)

Der PUE-Wert ist eine Kennzahl, um die Energieeffizienz eines gesamten Rechenzentrums zu bestimmen. Er ist definiert als: PUE = Gesamtenergieverbrauch des Rechenzentrums geteilt durch den Energieverbrauch der IT. Der PUE-Wert ist immer größer als 1. Die Gesamtleistung der Einrichtung umfasst die gesamte Hardware im Rechenzentrum, Stromversorgung, Klimasysteme und Beleuchtung. Die Energie der IT-Geräte bezieht sich auf die Energiemenge, die für die Stromversorgung von Server, Storage, Switches, Netzwerk und weitere Geräte. Ein Rechenzentrum mit niedrigerem PUE ist energieeffizienter, weil es einen geringeren Mehrverbrauch hat. Der PUE ist von der Außentemperatur abhängig, da die Effizienz der Kühlung ebenfalls von der Außentemperatur abhängt. Nach Angaben des Uptime Instituts lag der durchschnittliche jährliche PUE-Wert 2022 bei 1,55 gegenüber 1,57 im Jahr 2021. Mit einem PUE von durchschnittlich 1,1 über all seine weltweiten Rechenzentren hinweg, liegt Google bei der Energieeffizienz vorne.

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Grün durch Zertifikat-Handel

Google schreibt auf seinen Seiten "CO2-neutral seit 2007". Das geht natürlich nur mit Hilfe von Zertifikaten - ein sinnvoller Weg oder doch eher Greenwashing? "Zertifikate allein können niemals dazu führen, dass ein Unternehmen tatsächlich klimaneutral wird", ist Tim Christophersen überzeugt. "Vielmehr muss immer die Dekarbonisierung durch konkrete Maßnahmen zur Energieeinsparung oder Umstellung auf erneuerbare Energien Priorität haben."

Dennoch spielten Zertifikate eine wichtige Rolle in der Klimastrategie eines Unternehmens. Denn selbst, wenn ein Unternehmen alle ihm möglichen Maßnahmen zur Reduktion eigener Emissionen umgesetzt habe, blieben immer noch Emissionen übrig, etwa aus der Lieferkette. Diese ließen sich über Zertifikate kompensieren. Somit leiste der freiwillige Markt für CO2-Zertifikate einen sehr wichtigen und zielgerichteten Beitrag, weil darüber dringend benötigte Geldmittel aus der Privatwirtschaft zeitnah in Projekte für den Natur- und Klimaschutz weltweit flössen.

"Eine zentrale Herausforderung beim Zertifikatshandel ist die bislang fehlende Regulierung dieses Marktes, sodass die Qualität der jeweiligen Projekte teilweise enorm schwankt", so Christophersen weiter. "Auch existiert ein gewisses Risiko, dass Unternehmen sich verleiten lassen, eigene Maßnahmen durch einen reinen Ablasshandel zu ersetzen. Allerdings legt eine aktuelle Studie von Trove Research nahe, dass Unternehmen, die in CO2-Zertifikate investieren, auch ihre Emissionen durchschnittlich doppelt so schnell reduzieren wie andere Unternehmen. Dabei ist der Effekt höher, je mehr ein Unternehmen in hochwertige CO2-Zertifikate investiert. Der freiwillige CO2-Markt ist jedoch komplex. Salesforce unterstützt andere Unternehmen, die mehr investieren wollen, durch Wissensaustausch und Informationen zu naturbasierten CO2-Projekten und stellt mit dem Net Zero Marketplace eine vertrauenswürdige Plattform mit unabhängig geprüften, zuverlässigen Projekten bereit, auf der Unternehmen sich einfach und transparent über Zertifikate und Projekte informieren, sie beziehen und sich mit Ecopreneuren vernetzen können."

Die großen Cloud-Anbieter wie hier Microsoft stellen Tools zur Verfügung, die die Emissionen der Cloud-Nutzung messen und aufbereiten. (Bild: Microsoft)

"Der Zertifikathandel ist entstanden aufgrund des Bedarfs von Unternehmen, ihre Emissionen auszugleichen", führt Deml aus. "Wenn ein Bedarf da ist, dann entsteht auch ein Markt, so war es vor zehn bis 15 Jahren. Zu diesem Zeitpunkt war es schwierig für Unternehmen, Emissionen auszugleichen. Das hat man denn marketingtechnisch benutzt und den Zertifikatshandel eingeführt. Dieser Zertifikatshandel war am Anfang gut und nützlich, braucht aber heute eine Regulation. Er stellt nur ein Übergang dar und keine langfristige Lösung."

Es gebe Industrien wie die Schwerindustrie, wo es viele Stellschrauben gibt. Es gebe andere Branchen wie Banken und Versicherungen, wo das schwieriger sei. Es gelte je nach Industrie zu schauen, wie groß der Stellhebel sein kann, und in der Übergangsphase sei der Gebrauch von solchen Zertifikaten durchaus sinnvoll.

"Oracle ist seit einigen Jahren in Europa zu 100 Prozent auf Renewable Energy, und dies wir wollen bis 2025 auch global erreichen, also in allen 44 Data-Centern, die wir betreiben, und auch in allen Offices. Es gibt in gewissen Gegenden, in denen wir Data-Center betreiben, wo es schwieg ist, Kapazitäten an erneuerbaren Energien aufzutreiben, etwa weil kein Wasser da ist für Wasserkraft oder keine Windenergie vorhanden ist. In diesem Umfeld schaffen wir Kollaborations-Projekte, um mehr Kapazitäten zu erreichen. Als Cloud-Anbieter oder als großer Abnehmer hat man einen großen Hebel in der Hand."

Komponenten für eine grüne Cloud

Cloud-Anbietern stehen mehrere Wege offen, um klimafreundlichere Rechenzentren zu erreichen. Diese Wege zielen auf Effizienzsteigerungen in mehreren Bereichen ab. Zum einen kann der Cloud-Provider so viel wie möglich erneuerbare Energie einsetzen, um die Rechenzentren zu betreiben. Dazu zählen Wind- und Solarenergie sowie große Batteriebänke zur Speicherung der erzeugten Energie. Manche Unternehmen setzen Renewable Energy Certificates (REC) ein, um ihren CO2-Fußabdruck auszugleichen. RECs sind jedoch nicht gleichzusetzen mit dem Verzicht auf fossile Brennstoffe. Die Behauptung, dass die Rechenzentren damit zu 100 Prozent erneuerbare Energie nutzen, ist zwar verbreitet und beliebt, aber nicht korrekt.

Die Scope-Einteilung der Treibhausgas-Emissionen in Rechenzentren erfasst auch indirekte Emissionen. (Bild: Equinix)

Der Cloud-Provider kann Maßnahmen durchführen, um die Energie in den Rechenzentren effizienter zu nutzen. So kann er es einerseits in einem kalten Klima oder sogar auf dem Meeresgrund errichten. Oder Verfahren finden, die überschüssige Wärme aus Rechenzentren zu nutzen, um nahegelegene Häuser zu heizen. Künstliche Intelligenz könnte dabei die Energienutzung überwachen und optimieren. "Wir haben mit einem neu geschaffenen Data Center ein Co-Heating-Projekt mit den umliegenden Nachbarschaften, damit die Abwärme nicht durch Wärmetauscher in die Umwelt gelangt, sondern zu Fernwärme wird", nennt Deml ein Beispiel.

Der nächste Aspekt betrifft die Infrastruktur aus Soft- und Hardware. So lässt sich etwa Hardware einsetzen, die weniger Energie verbraucht. Indem man die Nutzung der Ressourcen optimiert, kann man Anzahl der Server verringern und Virtualisierung oder softwaredefinierte Infrastruktur implementieren. Für Tim Christophersen sind allen voran die Komponenten Soft- und Hardware maßgeblich für Green IT, wobei erstere einen großen Einfluss auf den Stromverbrauch der Hardware hat. "Hinzu kommen die Energieaufwände in Rechenzentren, für Übertragungsnetze und digitale Services sowie natürlich der Betrieb der Endgeräte der Nutzer. Mit unserer Green Code Initiative adressieren wir das Thema Software und teilen Best Practices mit unseren Kunden, wie sie klimaschonender entwickeln und der Nachhaltigkeit die gleiche Bedeutung beimessen können wie der Security, Usability und Accessibility. Für unsere Rechenzentrumsinfrastruktur, die einen signifikanten Anteil unseres CO2-Fußabdrucks ausmacht, betreiben wir umfangreiche Dekarbonisierungsprogramme. So versuchen wir auf jede erdenkliche Weise deren primären Energieverbrauch zu senken. Dafür nutzen wir in unseren Rechenzentren erneuerbare Energien und kompensieren die übrigen nicht vermeidbaren Emissionen über hochwertige CO2-Zertifikate. Unsere Erfahrungen teilen wir auch mit allen Interessierten in einer öffentlich und kostenlos zugänglichen Handreichung, in der Hoffnung, dass möglichst viele sich der Dekarbonisierung ihrer IT-Infrastruktur widmen."

Software-seitig kommt das Schlagwort Green Coding auf. Das bedeutet, den eigenen Quellcode so zu optimieren, dass er möglichst wenig Rechenleistung und damit letztlich auch weniger Energie benötigt. In der Praxis versuchen Entwickler, überflüssige Code-Blöcke zu eliminieren und das Programm schlanker und effizienter zu machen. Auch die Wahl der Programmiersprache hat einen Einfluss. Wenn der Code Berechnungen schneller durchführen kann, dann sind etwa schnellere Datenbankabfragen möglich. Viele kleine Schritten summieren sich zu spürbaren Einsparungen. Freilich kann Green Coding nur bei Eigenentwicklungen zum Einsatz kommen.

Alle Hyperscaler und die großen Cloud-Konzerne haben sich Klimaschutzziele auf die Fahnen geschrieben. AWS und Microsoft wollen bis 2025 ihre Rechenzentren ausschließlich mit erneuerbarer Energie betreiben. Google will das fünf Jahre später für sämtliche Einrichtungen erreichen.

Beispiel: Green Cloud bei Salesforce

Salesforce-Manager Tim Christophersen gibt an, bereits im Herbst 2022 habe man das Ziel erreicht, über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg klimaneutral zu sein und zu 100 Prozent erneuerbare Energien an allen Standorten weltweit zu nutzen. "Unsere Net Zero Cloud ist ja aus unseren eigenen Erfahrungen auf unserem Weg zur Klimaneutralität heraus entstanden und unterstützt Unternehmen umfassend dabei, den gleichen Weg zu beschreiten. Denn sie können damit die Daten von Scope-1 bis einschließlich Scope-3 auf einer einzigen Plattform zentral erfassen und in übersichtlichen Dashboards darstellen. Damit beschleunigen sie die Quantifizierung der CO2-Bilanz und können ihre Maßnahmen zur Klimakompensation nachvollziehen sowie gemäß aktuellen Standards und Frameworks in Nachhaltigkeitsberichten dokumentieren."

Und weiter: "Wir selbst sind damit schneller als geplant klimaneutral geworden, unter anderem durch die Nutzung von CO2-Zertifikaten, und liegen gut im Zeitplan für eine Reduktion unserer Emissionen um 50 Prozent bis 2030. Eine wichtige Rolle spielt außerdem die Initiative 1t.org, die wir zusammen mit dem World Economic Forum (WEF) gegründet haben. Denn wir glauben daran, dass Unternehmen die beste Plattform für Veränderung sind. Inzwischen arbeiten bei ‚Trillion Trees’ 85 Unternehmen an Waldschutz, Renaturierung und Aufforstung rund um den Globus zusammen. Wir kooperieren dafür in Deutschland mit der Vanessa-Weber-Stiftung, um innerhalb von 10 Jahren mit einer Million Bäumen hierzulande zum Ziel von einer Billion Bäumen bis 2030 weltweit beizutragen."

Rechenzentren mit Wind- und Solarenergie betreiben

Technisch und statisch erscheint es durchaus machbar, das Dach eines jeden Rechenzentrums mit Solarpaneelen zu pflastern oder nebendran ein Windrad aufzustellen. Der Weg ist da, der Wille nicht überall. "Natürlich ist das im Prinzip möglich, aber aufgrund der Energie-Infrastruktur in den meisten Ländern noch nicht vollumfänglich leistbar", schränkt Tim Christophersen ein. "Wir müssen noch viel stärker sowohl in die Verfügbarkeit von erneuerbaren Energien als auch in den intelligenten Transport und die Speicherung investieren, damit eine systemweite Energiewende gelingen kann. Als Beitrag zu diesem Ziel hat Salesforce zum Beispiel 25 Prozent der Anteile der Blue Grass Solar Farm in Australien übernommen, um den Verbrauch der dortigen Rechenzentren und den Geschäftsbetrieb über erneuerbare Energien abzudecken.“

Ziele und Vorhaben der EU

Der Green Deal der EU sieht als Ziel keine Netto-Emissionen von Treibhausgasen bis 2050 vor. In der gegenwärtigen Geschwindigkeit ist das keinesfalls zu erreichen. Deml ist für sein Unternehmen optimistisch. "Oracle wird Net Zero bis 2050 erreichen. Europa hat noch viel Schwerindustrie. In der IT ist es einfacher zu bewerkstelligen, weil die Stellhebel klarer sind. Wenn man zum Beispiel Manufacturing hat, wie Stahl oder auch die Chemie, dort sind die Stellhebel definitiv diverser."

"Die Klimaziele der EU und auch die vieler Unternehmen basieren auf den wissenschaftlichen Fakten des Weltklimarates (IPCC)", stellt Christophersen fest. "Diese konstatieren die Notwendigkeit, bis 2030 eine Halbierung von Emissionen und bis spätestens 2050 ʽnet zeroʽ zu erreichen. Wir müssen und können diese Ziele durch Investitionen und Innovation realisieren. Denn viele Technologien zur Reduzierung von Emissionen stehen bereits zur Verfügung. Wind- und Sonnenenergie sind bereits jetzt preisgünstiger als fossile Brennstoffe. Was wir gemeinsam sehr stark ausbauen müssen, sind Möglichkeiten zur Speicherung und zum effizienten Transport erneuerbarer Energien sowie Technologien zur Entnahme von CO2 aus der Atmosphäre und deren langfristigen Speicherung im Boden oder in geologischen Formationen. Regierungen müssen auch weiter an der Reform von Subventionen arbeiten, die weltweit und auch in der EUnoch immer massiv die fossilen Brennstoffe favorisieren."

"Auch naturbasierte Lösungen, zum Beispiel regenerative Landwirtschaft oder Wiederaufforstung, sind bereits umfassend verfügbar, diese gilt es jedoch noch massiv auszuweiten", fährt er fort. "Daher ist zum Beispiel das ʽNature Restoration Lawʽ als Teil des EU Green Deal sehr wichtig. Dagegen befinden sich technologische Lösungen wie ʽDirect Air Captureʽ noch im Anfangsstadium und brauchen mehr Innovation und Investition. Salesforce ist sowohl im Bereich Naturschutz und der Wiederherstellung von Ökosystemen aktiv als auch in neuen Technologien, zum Beispiel durch unsere freiwillige Verpflichtung, 100 Millionen US-Dollar in Klimatechnologien im Rahmen der ʽFirst Movers Coalitionʽ zu investieren. Das Programm des WEF in Zusammenarbeit mit führenden Unternehmen weltweit fördert innovative saubere Technologien in Sektoren mit besonders hohen CO2-Emissionen."

Tobias Deml, Head of Cloud Engineering bei Oracle (Bild Oracle)
"Die Migration in ein Cloud-Ökosystem hat den Vorteil, dass der Provider die Kernkompetenz einer effizienten IT nutzen kann."

Ausblick: Green Cloud Computing in zehn Jahren

Deml ist davon überzeugt, dass der Effizienzgewinn durch Quanten-Computing eklatant sein wird. Kurzfristig werde die Awareness der Unternehmen und damit auch der Endkunden viel vorantreiben, weil das Thema Klimaschutz in Ausschreibungen oder Verträgen ein zentraler Punkt sei.

Christophersen erwartet zunächts noch einen Anstieg des Energieverbrauchs von Rechenzentren aufgrund der Verbreitung von neuen KI-Lösungen, die insbesondere im Lernstadium viel Energie verbrauchen. "Längerfristig kann sich der Energieverbrauch des Cloud Computing durch KI jedoch verringern, da sie auch mehr Effizienz in vielen Sektoren und Branchen der Wirtschaft ermöglichen wird." Das gelte auch für den Energieverbrauch von Anwendungen und Diensten in der Cloud. "Salesforce Priorität bei der KI-Entwicklung ist in erster Linie, Vertrauen zu schaffen. Dies stellen wir mit unseren fünf Leitprinzipien der nachhaltigen, ethischen und sicheren Entwicklung und Anwendung von KI sicher. So sind wir bei der Entwicklung unserer KI-Modelle bestrebt, deren ökologischen Fußabdruck so gering wie möglich zu halten. Denn hier gilt nicht immer die Devise ʽje größer desto besserʽ: Häufig sind kleinere, besser trainierte Modelle den mächtigeren - aber weniger intensiv trainierten - überlegen."

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Andreas Dumont

Freier Redakteur

Andreas Dumont ist studierter Biologe und seit Anfang der 2000er-Jahre als IT-Journalist tätig. Zu seinen Themenschwerpunkten gehören digitale Transformation, IT-Security, IoT, KI, Big Data, Virtual Reality und Telekommunikation.