Gastbeitrag

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Mehr operationale Resilienz, weniger betriebliche Intransparenz

Wenn der Ausbau im IT-Bereich zu mehr Unordnung als Entlastung führt, ist es an der Zeit, Geschäftsprozesse neu zu strukturieren. Das Schlüsselwort dafür lautet Business Process Intelligence. Dr. Stefan Sigg, CPO der Software AG, zeigt auf, wo die aktuellen Pain Points bei Unternehmen mit Blick auf ihre IT-Landschaft liegen, warum Operational Excellence und Operational Resilience zu den Top-Prioritäten gehören und wie Unternehmen mit Business Process Management-Systemen Kosteneffizienz und Geschäftsprozesse optimieren.

Der Konkurrenzdruck nimmt kontinuierlich zu. Das liegt vor allem an der komplexer werdenden Technologie-Landschaft in Unternehmen. 86 Prozent haben ihre Technologien in den letzten Jahren schnell ausgebaut. Davon sagen wiederum 76 Prozent, dass dies zu einem größeren „Chaos“ geführt hat. Das sind Ergebnisse einer Studie der Software AG. Im Jahr 2020 war eine starke Beschleunigung der Investitionen in digitale Transformationsinitiativen zu beobachten, was zu einer erneuten Ausweitung von Tools und Prozessen in Unternehmen führte. Darüber hinaus hat generative KI das Potenzial, diesen Trend weiter zu beschleunigen.

Dabei sollen IT-Tools und -Prozesse doch eigentlich für mehr Innovationsfähigkeit sorgen und die digitale Transformation voranbringen. Tatsächlich aber kann die zunehmende Diversität der Technologie-Landschaft anscheinend einfache Prozesse und Aktivitäten verlangsamen oder erschweren. Geschäftskritische Prozesse werden durch Überschneidungen, Engpässe oder interne Konflikte ausgebremst.

Wenn – wie in den meisten Fällen üblich – neue Technologien im Rekordtempo eingeführt werden, ergeben sich daraus zwei zentrale Herausforderungen: Erstens hat sich die IT-Landschaft schneller entwickelt als die Fähigkeit eines Unternehmens, sie effektiv zu verwalten. Zweitens verändern diese erweiterten Tools, Plattformen und Prozesse das Gesicht einer effektiven Governance und schaffen eine neue Welle von Risiken, die es zu erkennen und abzumildern gilt. Schon jetzt bieten sich enorme Chancen für Unternehmen, die in der Lage sind, dieses wachsende betriebliche Chaos zu bewältigen – in Bezug auf Differenzierung, Kontrolle, Agilität und Widerstandsfähigkeit.

Operationale Exzellenz und Resilienz haben Priorität

Unternehmen müssen unbedingt verstehen, wie sich Risiken, Probleme und Herausforderungen überschneiden und miteinander verbunden sind. Da wir alle immer mehr auf neue Technologien angewiesen sind, brauchen wir eine klarere Perspektive, wie sich diese Technologien auf das Unternehmen auswirken. Deshalb sind operative Exzellenz und Resilienz oberste Priorität, wenn es um den Betrieb geht – und zwar in zweierlei Hinsicht: Es gilt einerseits, die neuen und sich ständig verändernden Risiken und Herausforderungen zu bewältigen. Anderseits gilt es Geschäftsziele, d. h. wie das Unternehmen auf dem Markt gewinnen will, mit der Betriebsperspektive, d. h. wie das Unternehmen geführt werden soll, in Einklang zu bringen. Störungen in verschiedenen Bereichen zwingen die Unternehmen dazu, neue Arbeitsweisen, Kosteneinsparungen oder beides zu finden (operationale Exzellenz). Die Unternehmen müssen auf das Unerwartete reagieren können, aber auch in der Lage sein, nachzuweisen, was getan wurde und warum – sei es, um die gesetzlichen Vorschriften einzuhalten oder um Investoren/Kunden/Stakeholdern gegenüber ihre Fähigkeiten zu demonstrieren (operationale Resilienz).

Ein Risiko ist zum Beispiel die Verbreitung von Tools und Prozessen, die eine Folge der Automatisierung und der As-a-Service-Tools ist. Die Mitarbeiter im Unternehmen können mehr als je zuvor selbständig tun – Anwendungen herunterladen, Code schreiben, Cloud-Dienste einrichten. Einiges davon geschieht innerhalb der Grenzen der IT-Richtlinien, einiges nicht. Die Idee der Selbstbedienung und der automatisierten Technologie gibt den Geschäftsanwendern mehr Kontrolle in die Hand. Dies ermöglicht es ihnen, flexibel und reaktionsschnell zu sein.

Wenn Technologie jedoch auf diese Weise eingeführt wird, entstehen in der Regel technische Schulden, was schnell dazu führen kann, dass sich versteckte Ineffizienzen aufbauen. Diese entstehen entweder durch "Abkürzungen" bei der Implementierung (damit sie schnell funktioniert) und/oder sie werden außerhalb der IT-Richtlinien durchgeführt und daher nicht verwaltet. Generative KI verschlimmert diese Situation nur noch, da die Geschäftsanwender ohne den Umweg über die IT-Abteilung sofort loslegen können. Da sowohl interne als auch externe Faktoren das rasche Tempo des Wandels vorantreiben, könnten die Auswirkungen unerwarteter Ereignisse und/oder schlechter Governance größer sein als erwartet. Je höher die Geschwindigkeit, desto schlimmer der Absturz. Da sich die Risiken häufen und die Geschwindigkeit zunimmt, ist es von entscheidender Bedeutung, das betriebliche Chaos in den Griff zu bekommen.

Klarheit und Struktur für alle Prozesse

Dazu müssen Unternehmen ihre Geschäftsprozesse bestens kennen, sie effektiv administrieren und zudem digital dokumentieren. Business Process Intelligence (BPI) ist kein einmaliges Projekt, sondern besteht aus der kontinuierlichen Optimierung. Dabei geht es darum, betriebliche Engpässe zu erkennen und zu reduzieren, die Entwicklung neuer Produkte zu beschleunigen, die sich ständig ändernden Vorschriften einzuhalten und Kundenerwartungen zu erfüllen.

Mit Hilfe von BPI können Unternehmen die acht großen Herausforderungen angehen und überwinden:

  1. Geschäftsresilienz
    BPI hilft Unternehmen mit der Entwicklung und Implementierung von Lösungen als Teil eines integrierten Compliance-Systems, um gegenüber unvorhersehbaren Ereignissen, wie Cyberangriffen, Naturkatastrophen und dem Ausfall kritischer Infrastrukturen, resilient zu sein.
  2. Optimierung der Lieferkette
    Durch eine detaillierte Abbildung von Geschäftsprozessen können Unternehmen Engpässe und Ineffizienzen in der Lieferkette aufdecken. Außerdem können sie durch Automatisierung Aufgaben wie Beschaffung, Bestandsmanagement, Auftragsbearbeitung, Logistikverfolgung und Zahlungseinzug straffen und so Aufträge schneller und genauer erfüllen. Eine Datenanalyse von Faktoren wie Bestandsmengen, Lieferzeiten und Kundennachfrage bildet die Grundlage, um Trends und Muster zu erkennen, auf deren Grundlage effizientere und resilientere Lieferketten aufgebaut werden können.
  3. Beschleunigte digitale Transformation
    Unternehmen müssen ihr Geschäftsmodell ständig an neue Herausforderungen anpassen. BPI hilft Unternehmen in einer Welt, in der Menschen zunehmend mit fähigen und intelligenten maschinellen Assistenten zusammenarbeiten bzw. neben ihnen arbeiten, u. a. dabei, dass ihre Mitarbeiter technisch nicht abgehängt werden.
  4. Einhaltung von Vorschriften
    Compliance-Anforderungen sowie die Prozesse zur Einhaltung dieser Anforderungen werden von Jahr zu Jahr komplexer. Business Process Intelligence kann Unternehmen über die Überwachung und die Dokumentation von Prozessen bei der Suche nach Bereichen helfen, in denen das Unternehmen die Vorschriften nicht erfüllt, und dann entsprechende Maßnahmen ergreifen. Zudem lassen sich auch komplette Prüfpfade aller Prozesse speichern, damit im Fall einer Prüfung oder einer Untersuchung die Einhaltung von Vorschriften nachgewiesen werden kann.
  5. Steigende Kundenerwartungen
    Immersivere Erlebnisse und mehr Personalisierung stehen auf der Liste der Kundenerwartungen ganz oben. Um die Customer Journey zu verbessern, können Unternehmen ihre Prozesse im Detail abbilden und so Pain-Points in der Customer Journey finden und dann beseitigen. So lassen sich Prozesse straffen, und der Kundenfrust reduziert sich.
  6. Nachhaltigkeit
    Kunden schätzen Unternehmen, die nachhaltige Geschäftspraktiken verfolgen. Nachhaltigkeit kann auch dabei helfen, Ineffizienzen und Möglichkeiten für Einsparungen zu erkennen und so den Gewinn zu steigern.
  7. Neue Anforderungen am Arbeitsplatz
    Für die hybride Zusammenarbeit von Teams können Unternehmen digitale Handbücher erstellen und die rollenspezifische Kommunikation von Prozesswissen, Arbeitsanweisungen und -richtlinien administrieren.
  8. Geschäftsagilität
    Agil gegenüber neuen Gegebenheiten zu sein, ist für Unternehmen überlebenswichtig. BPM unterstützt Change-Management dadurch, dass es eine zentrale Quelle der Wahrheit (Single Source of Truth) für alle Geschäftsprozesse bietet und so die Voraussetzung schafft, agiler zu werden.

Stefan Sigg

Verantwortlich für den Inhalt

Dr. Stefan Sigg, Jahrgang 1965, ist seit April 2017 (Vertrag bis 2027) Mitglied des Vorstandes der Software AG und verantwortlich für das gesamte Produktportfolio, einschließlich Global Support, Cloud Operations sowie Forschung & Entwicklung. Dr. Sigg studierte Mathematik und Physik an der Universität Bonn und promovierte im Jahr 1994. Nach seinem Studium startete er 1995 seine berufliche Karriere in der Produktentwicklung der SAP. Nach verschiedenen Managementpositionen übernahm er die Leitung der Entwicklung von SAP Business Warehouse, SAP HANA und SAP Analytics.

Seit dem Jahr 2014 hat Dr. Sigg einen Lehrauftrag an der Technischen Universität Darmstadt und unterrichtet die Themen Analytics und Big-Data-Technologien und IoT. Er ist Mitglied im Aufsichtsrat des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz (DFKI) und im Kuratorium des Fraunhofer Instituts für Sichere Informationstechnologie.