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Meinungen

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Stimmungsbild zum Energieeffizienzgesetz

Klimaschutz per Gesetz: Mit dem sogenannten Energieeffizienzgesetz (EnEfG) sollen die wesentlichen Anforderungen der EU-Energieeffizienz-Richtlinie nun auch in nationales Recht umgesetzt werden. Unternehmen und die öffentliche Hand sollen damit Strom sparen und Umweltmaßnahmen umsetzen.

Bild: Shutterstock / hrui

Die wichtigsten Regelungen

Mit dem Energieeffizienzgesetzes (EnEfG) wird erstmals ein sektorübergreifender Rahmen zur Steigerung der Energieeffizienz geschaffen. Das sind die dabei die wichtigsten Regelungen:

Energieeffizienzziele: Das EnEfG legt Ziele für die Senkung des sogenannten Primär- und Endenergieverbrauchs in Deutschland für 2030 fest. Für den Endenergieverbrauch bedeutet dies gegenüber 2008 eine Reduzierung um mehr als 550 TWh bis zum Jahr 2030.

Energiesparpflichten von Bund und Ländern: Die öffentliche Hand soll ab 2024 Energieeinsparmaßnahmen ergreifen, die bis 2030 jährlich Endenergie-Einsparungen in Höhe von 45 TWh beim Bund beziehungsweise 5 TWh bei den Ländern erbringen.

Energie- oder Umweltmanagementsystemen für Unternehmen: Mit dem Energieeffizienzgesetz werden Unternehmen mit einem großen Energieverbrauch - von mehr als 15 GWh - verpflichtet, Energie- oder Umweltmanagementsysteme einzuführen und wirtschaftliche Energieeffizienzmaßnahmen in konkreten Plänen zu erfassen und zu veröffentlichen. Über die konkrete Effizienzmaßnahme entscheiden weiterhin die Unternehmen.

Energieeffizienz- und Abwärme-Anforderungen für Rechenzentren: Neue Rechenzentren werden zur Einhaltung von Energieeffizienzstandards, einer minimalen Temperatur für die Luftkühlung sowie zur Abwärmenutzung verpflichtet. Bestandsanlagen sollen auf die Effizienz ihres Stromeinsatzes achten. Insgesamt werden Betreiber von Rechenzentren dazu aufgefordert, künftig verstärkt Strom aus erneuerbaren Energien nutzen.

Vermeidung und Verwendung von Abwärme: Abwärme in Unternehmen soll künftig besser genutzt werden. Hierzu werden Betriebe verpflichtet, Abwärme aus Produktionsprozessen zu vermeiden oder, soweit eine Vermeidung nicht möglich ist, zu verwenden, Stichwort Abwärmenutzung.

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Folgen für Rechenzentrumsbetreiber

Vor allem Betreiber von Rechenzentren zwingt das Energieeffizienzgesetz zum Handeln. So sollen zum Beispiel Data Center, die vor dem Juli 2026 den Betrieb aufnehmen oder aufgenommen haben, ab Mitte 2027 eine Energieverbrauchs-Effektivität (Power Usage Effectiveness, PUE), von kleiner oder gleich 1,5 erreichen. Ab Mitte 2030 soll der Wert kleiner oder gleich 1,3 erreichen. Rechenzentren, die ab Juli 2026 gebaut werden, sollen gleich einen PUE-Wert von kleiner oder gleich 1,3 erreichen. Hinzu kommt: Ab Januar kommenden Jahres sollen 50 Prozent des Stromverbrauchs aus erneuerbaren Energien kommen, ab 2027 zu 100 Prozent.

Kontroverse Meinungen

Wie bei allen Gesetzen sorgt auch das Energieeffizienzgesetz für große Kontroversen.  Wir haben die Kernaussagen wichtiger Stellungnahmen zusammengefasst. Im Folgenden finden Sie Stellungnahmen unter anderem der Deutschen Industrie- und Handelskammer, des Umweltbundesamts und aus der Wirtschaft. Sie werden sehr ausführlich zitiert, um den Argumentationsgang nachvollziehbar zu machen.

Jens-Peter Feidner, Managing Director für Deutschland bei Equinix (Bild: Equinix)
„Eine erfolgreiche Implementierung solcher Gesetzesvorhaben muss einen holistischen Ansatz verfolgen, denn jeder Standort weist spezifische Gegebenheiten auf, die fortan noch akribischer geprüft werden müssen als ohnehin schon der Fall.“

"Gesetzesvorhaben wie das nun beschlossene Energieeffizienzgesetz (EnEfG) sind durchaus ein Ansatz, die nachhaltige Digitalisierung aus regulatorischer Perspektive voranzutreiben. So können die ambitionierten Klimaschutzziele, die sich ein Großteil der Rechenzentrumsbranche bereits seit einiger Zeit selbst gesetzt hat, gegebenenfalls weiter verfestigt werden. Digitalisierung trägt maßgeblich zur Dekarbonisierung bei. Laut EU wird sie die Treibhausgase um 15 Prozent senken, wobei die IKT-Branche 7-mal mehr CO2 verringert, als sie ausstößt. Wird aber durch Regulierung die Digitalbranche ausgebremst, kann das für diesen Fortschritt fatale Konsequenzen haben. Die EnEfG-Vorgaben sind zum Teil äußerst herausfordernd - hier sind Nachjustierungen nötig, um den allgemeinen Ansatz des Gesetzes den Gegebenheiten von zum Beispiel Co-Location anzupassen. Denn hier haben Betreiber keinen Einfluss auf die kundeneigenen Server (inklusive Effizienz und Daten(-Mengen)). Der im Gesetz verankerte, starre PUE von 1.2 nach bereits zwei Jahren erfordert in der Regel den Einsatz von Wasserkühlung (Adiabatik), der wiederum die WUE (Water Usage Effectiveness) erhöht. Man tauscht also im urbanen Gebiet Stromverbrauch gegen Wasserverbrauch. Eine Weiternutzung der Server-Wärme ist der richtige Weg für die Kreislaufwirtschaft, was sich auch durch die Bereitschaft der Branche zeigt, eben diese Wärme zu offerieren. Unsere kürzlich verkündete Zusammenarbeit mit dem Wohnungsunternehmen Vonovia zur Abwärmeversorgung von zunächst circa 1000 Haushalten in Frankfurt ab 2025 zeigt zwar, dass dies bei gezielter Kooperation - und mit sehr viel Aufwand - möglich ist. Die Abwärmenutzung jedoch jetzt schon verpflichtend für Betreiber zu fordern, wenn die nötige Netzinfrastruktur nahezu nirgends vorhanden oder absehbar ist, schafft einen de facto Bann für Rechenzentren in vielen Gebieten – und ist konträr zum Hauptauswahlkriterium für Co-Location-Rechenzentren, die Nähe zu digitalen Ökosystemen. Eine erfolgreiche Implementierung solcher Gesetzesvorhaben muss daher einen holistischen Ansatz verfolgen, denn jeder Standort weist spezifische Gegebenheiten auf, die fortan noch akribischer geprüft werden müssen als ohnehin schon der Fall."

Jens-Peter Feidner, Managing Director für Deutschland bei Equinix

Dr. Achim Dercks, Stellvertretender Hauptgeschäftsführer der Deutschen Industrie- und Handelskammer (Bild: DIHK)
„Effizienz ist Teil der DNA deutscher Unternehmen. Dieser Erfolgsstory droht perspektivisch das Ende - durch das Energieeffizienzgesetz.“

"Effizienz ist Teil der DNA deutscher Unternehmen. Deshalb ist es unserer Wirtschaft auch gelungen, das wirtschaftliche Wachstum und den Energieverbrauch in den vergangenen Jahrzehnten voneinander zu entkoppeln. Das verdanken wir der Ingenieurskunst, kreativen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Betrieben sowie hoher unternehmerischer Flexibilität. (…) Dieser Erfolgsstory droht perspektivisch das Ende – durch das Energieeffizienzgesetz. Für viele Unternehmen und damit unsere Wirtschaft insgesamt wird das ein Gesetz, das in der Konsequenz Wachstum verhindert. (…) Auch bei den undifferenzierten Abwärme-Pflichten stehen Aufwand und Ergebnis in keinem angemessenen Verhältnis. Das ist das Gegenteil von Effizienz. Mit dem Gesetz bindet der Staat in den Unternehmen finanzielle Ressourcen und personelle Kapazitäten bei Auditoren oder betrieblichen Energieexperten, die besser für die Erschließung weiterer Einsparpotenziale eingesetzt werden sollten."

Dr. Achim Dercks, Stellvertretender Hauptgeschäftsführer der Deutschen Industrie- und Handelskammer

Prof. Dr. Dirk Messner, Präsident des Umweltbundesamts (Bild: UBA/Susanne Kambor)
„Der Gesetzentwurf setzt einen durchaus ambitionierten Rahmen. Das wird sicher helfen, auch hierzulande eine Trendwende beim Energieverbrauch durch Rechenzentren einzuleiten.“

"Eine nachhaltige digitale Zukunft braucht klimaverträgliche Rechenzentren. Das Energieeffizienzgesetz schafft hierfür erstmalig gute Vorgaben. Das Energieeffizienzgesetz setzt Mindeststandards für den energieeffizienten Betrieb von Rechenzentren, schreibt die Nutzung von Abwärme vor und verpflichtet die Betreiberinnen und Betreiber zu mehr Transparenz. Der Gesetzentwurf setzt dabei einen durchaus ambitionierten Rahmen. Das wird sicher helfen, auch hierzulande eine Trendwende beim Energieverbrauch durch Rechenzentren einzuleiten. All das unterstützt die so dringend nötige nachhaltige Transformation unserer digitalen Infrastruktur."

Prof. Dr. Dirk Messner, Präsident des Umweltbundesamts

Dr. Bernhard Rohleder, Hauptgeschäftsführer des Digitalverbands Bitkom (Bild: Bitkom)
"Das Gesetz stärkt die Nachhaltigkeit der digitalen Infrastruktur und sorgt mit praxistauglichen Vorgaben dafür, dass Rechenzentren verbindlich effizient betrieben werden, ohne durch unverhältnismäßige Anforderungen ins Ausland verdrängt zu werden."

"Mit dem Energieeffizienzgesetz ist der Ampel-Koalition nun doch ein Meilenstein für klimaneutrale Rechenzentren gelungen. Das Gesetz stärkt die Nachhaltigkeit der digitalen Infrastruktur und sorgt mit praxistauglichen Vorgaben dafür, dass Rechenzentren verbindlich effizient betrieben werden, ohne durch unverhältnismäßige Anforderungen ins Ausland verdrängt zu werden. Rechenzentren sind für unsere digitale Souveränität unabdingbar, der Erhalt eigener sicherer kritischer Infrastrukturen in Zeiten geopolitischer Spannungen und sich verschärfender Handelskonflikte ist das Gebot der Stunde. Positiv ist nach den Beratungen im Bundestag vor allem die klare Begrenzung des Anwendungsbereichs: Netzknoten gelten nicht als Rechenzentren und so kann der Glasfaser- und 5G-Ausbau fortgesetzt werden. Die Vorgaben zur Nutzung erneuerbarer Energien sind sinnvoll, die Angleichung des deutschen Gesetzes an europäische Vorgaben spart Bürokratie. Bei der Nutzung von Abwärme erwartet Bitkom nun von der Politik, dass die technische und wirtschaftliche Zumutbarkeit bei Rechenzentren nicht anders gewertet wird als bei anderen Branchen. Kritisch zu sehen ist leider die deutliche Verschärfung bei der Energieverbrauchseffektivität. Sie wird in der praktischen Umsetzung an vielen Stellen nicht erreicht werden können und wirft daher noch zahlreiche Fragen der Umsetzbarkeit auf.“

Dr. Bernhard Rohleder, Hauptgeschäftsführer des Digitalverbands Bitkom

Stefan Maier, Geschäftsführer bei Prior1 (Bild: Prior1)
"Die Befürchtung, dass das neue Gesetz den Aufbau einer digital souveränen Infrastruktur in Deutschland erschweren könnte, teile ich nicht. Ähnlich strenge Datenschutzgesetze wurden vor Jahren ebenfalls massiv kritisiert, haben aber Deutschland nicht ins Hintertreffen geraten lassen. Im Gegenteil, sie sind heute ein starkes Argument für den Standort Deutschland."

"Die Befürchtung, dass das neue Gesetz den Aufbau einer digital souveränen Infrastruktur in Deutschland erschweren könnte, teile ich nicht. Ähnlich strenge Datenschutzgesetze wurden vor Jahren ebenfalls massiv kritisiert, haben aber Deutschland nicht ins Hintertreffen geraten lassen. Im Gegenteil, sie sind heute ein starkes Argument für den Standort Deutschland. Gleiches wird auch für Deutschland als Standort für Rechenzentren gelten. Ich bin zuversichtlich, dass die neuen Regelungen letztendlich ein Pro-Argument für Deutschland sein werden und nicht dazu führen, dass Rechenzentren aus unserem Land vertrieben werden. Sobald die anfänglichen Hürden überwunden sind, werden die Bestimmungen dazu führen, dass die Nachhaltigkeitsberichte und Klimabilanzen der Unternehmen verbessert werden - und das ist nicht nur für Finanzierungsrunden von Vorteil."

Stefan Maier, Geschäftsführer bei Prior1

Dr. Katharina Reuter, Geschäftsführerin des Bundesverbandes Nachhaltige Wirtschaft (Bild: BNW/Caro Hoene)
"Energieeffizienz ist die Krisenallrounderin: Sie schafft Energiesicherheit, spart Geld und wirkt sich positiv auf das Klima aus. Umso enttäuschender ist es, dass sich die Bundesregierung keine verbindlichen Ziele über das Jahr 2030 hinaus setzt und geplante Maßnahmen immens abgeschwächt hat."

"Wir begrüßen grundsätzlich die Einführung eines Energieeffizienzgesetzes, sind aber enttäuscht über deutliche Abschwächungen gegenüber zuvor bekanntgewordenen Entwürfen. Es brauche klare Zielsetzungen und politische Maßnahmen, um diese zu erreichen. Dazu gehören Umsetzungspflichten für Unternehmen, Förderinstrumente für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) und der Abbau bürokratischer Hürden, um alle Effizienzpotenziale zu nutzen. (…) Energieeffizienz ist die Krisenallrounderin: Sie schafft Energiesicherheit, spart Geld und wirkt sich positiv auf das Klima aus. Umso enttäuschender ist es, dass sich die Bundesregierung keine verbindlichen Ziele über das Jahr 2030 hinaus setzt und geplante Maßnahmen immens abgeschwächt hat."

Dr. Katharina Reuter, Geschäftsführerin des Bundesverbandes Nachhaltige Wirtschaft

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Konstantin Pfliegl

Redakteur
Konstantin Pfliegl ist Redakteur der Schwesterzeitschriften com! professional (Deutschland) und Computerworld (Schweiz). Er verfügt über mehr als zwei Jahrzehnte Erfahrung als Journalist für verschiedene Print- und Online-Medien.