Prognosen
Von KI aus der Cloud bis cloudnative Container
Auch bei Technologien, die längst Alltag geworden sind, gibt es keinen Stillstand. Im Gegenteil. Befeuert nicht zuletzt vom KI-Boom erwarten Analystenhäuser und Unternehmen auch und gerade zum Beispiel beim Cloud Computing wichtige Veränderungen und Innovationen in 2024 und in den folgenden Jahren.
Gartner: Cloud wird notwendig für die Wettbewerbsfähigkeit
Laut Gartner wird sich Cloud Computing bis 2028 von einem technologischen Störfaktor zu einer notwendigen Komponente für die Aufrechterhaltung der Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen entwickeln. Die Analysten rechnen deshalb auch damit, dass die IT-Ausgaben für Public-Cloud-Dienste ungebremst weiter steigen. Im Jahr 2024 sollen sich die weltweiten Endnutzerausgaben für Public-Cloud-Dienste voraussichtlich auf 679 Milliarden US-Dollar belaufen. 2027 voraussichtlich auf über 1 Billion US-Dollar.
„Unternehmen investieren aktiv in Cloud-Technologien, da diese das Potenzial haben, Innovationen zu fördern, den Markt zu verändern und die Kundenbindung zu verbessern, um sich dadurch einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen", berichtet Milind Govekar, Distinguished VP Analyst bei Gartner. „Während viele Unternehmen begonnen haben, die technischen Vorteile der Cloud zu nutzen, haben nur wenige ihr volles Potenzial zur Unterstützung der geschäftlichen Transformation ausgeschöpft. Infolgedessen nutzen Unternehmen die Cloud, um eine neue, von künstlicher Intelligenz (KI) angetriebene Disruptionswelle auszulösen, die es ihnen ermöglicht, Geschäftswerte in großem Umfang zu erschließen."
Eine weitere Veränderung in der Cloud-Nutzung sieht Gartner in einem wachsenden Interesse an dezentralisierten Cloud-Standorten. 50 Prozent der kritischen Unternehmensanwendungen werden demnach bis 2027 außerhalb zentralisierter Public-Cloud-Standorte angesiedelt, auch wenn Unternehmen den Analysten zufolge Schwierigkeiten haben, die richtigen Partner und Lösungen zu finden. „Unternehmen suchen eine Platzierung für Workloads, die nicht in die öffentliche Cloud migriert wurden", erklärt Dennis Smith, Distinguished VP Analyst bei Gartner. „Dies entspricht etwa 70 Prozent aller Workloads. Die wachsende Zahl von Anbietern, Technologien und sich überschneidenden Märkten erschwert es jedoch, die optimale Infrastruktur für die individuellen Umstände und Bedürfnisse eines Unternehmens zu finden."„Während viele Unternehmen begonnen haben, die technischen Vorteile der Cloud zu nutzen, haben nur wenige ihr volles Potenzial zur Unterstützung der geschäftlichen Transformation ausgeschöpft.“
Ausgaben für Cloud-Services in Mio. Dollar (Gartner Nov. 2023)
| 2022 | 2023 | 2024 |
Cloud Application Infrastructure Services (PaaS) | 119,579 | 145,320 | 176,493 |
Cloud Application Services (SaaS) | 174,416 | 205,221 | 243,991 |
Cloud Business Process Services (BPaaS) | 61,557 | 66,339 | 72,923 |
Cloud Desktop-as-a-Service (DaaS) | 2,430 | 2,784 | 3,161 |
Cloud System Infrastructure Services (IaaS) | 120,333 | 143,927 | 182,222 |
Total Market | 478,315 | 563,592 | 678,790 |
Sid Nag, Vice President Technology and Service Provider Group von Gartner, sieht eine Verbindung zwischen dem GenAI-Boom und den Veränderungen im Cloud-Markt. „Unternehmen, die beispielsweise generative KI-Dienste einsetzen wollen, werden angesichts des Ausmaßes der erforderlichen Infrastruktur auf die öffentliche Cloud zurückgreifen", so Nag. „Um GenAI effektiv einsetzen zu können, benötigen diese Unternehmen jedoch Cloud-Anbieter, die nicht-technische Aspekte wie Kosten, Wirtschaftlichkeit, Souveränität, Datenschutz und Nachhaltigkeit berücksichtigen. Hyperscaler, die diese Anforderungen unterstützen, werden in der Lage sein, mit der zunehmenden Verbreitung von GenAI ganz neue Umsatzmöglichkeiten zu erschließen."
Neben GenAI sieht Gartner im fortschreitenden Aufkommen von „Industry Cloud Platforms“ einen Treiber der Cloud-Ausgaben. Solche Branchen-bezogenen Plattformen kombinieren SaaS-, PaaS- und IaaS-Dienste zu einem Gesamtproduktangebot mit Composable-Funktionen. Gartner prognostiziert, dass bis 2027 mehr als 70 % der Unternehmen Cloud-Plattformen der Branche nutzen werden, um ihre Geschäftsinitiativen zu beschleunigen, gegenüber weniger als 15 % im Jahr 2023.
Und auch hier hat Sig Nag eine Verbindung mit dem GenAI-Boom ausgemacht: „Die Einführung von GenAI wird auch das Wachstum der Cloud-Plattformen der Branche unterstützen. GenAI-Modelle, die in verschiedenen Branchen anwendbar sind, erfordern möglicherweise erhebliche Anpassungen, die sich auf die Skalierbarkeit und Kosteneffizienz auswirken. Public-Cloud-Anbieter können sich als Partner bei der verantwortungsvollen und maßgeschneiderten Einführung von GenAI positionieren, indem sie auf den gleichen Ansätzen aufbauen, die auch für Industry Clouds, Sovereign Clouds und Distributed Clouds gelten."
„Die Einführung von GenAI wird auch das Wachstum der Cloud-Plattformen der Branche unterstützen."
Skaylink: Trends im Cloud-Business
Mit welchen Aufgaben und Herausforderungen wird sich die Cloud-Branche im Jahr 2024 vor allem beschäftigen (müssen)? Darüber haben sich Silvio Kleesattel, Technology & Innovation Lead, und Helmut Weiss, Cloud Architect beim Transformationsdienstleister Skaylink, Gedanken gemacht. Sechs Themen haben sie identifiziert, die ihnen zufolge 2024 im Fokus des Cloud-Computings stehen werden:
- Vorbereitung der Unternehmen auf KI
- Modernisierung von Business Applications
- Intelligent Applications
- Effizienzsteigerung im Kerngeschäft
- Spezialisierte Branchen-Clouds
- Zentralisierung von Security-Anwendungen
Um Innovationen in das eigene Geschäftsmodell zu implementieren, werden Unternehmen sich Kleesattel zufolge gezielt auf Datenplattformen konzentrieren. Für 2024 werde zudem die Benutzereingabe stärker im Fokus stehen, denn das Umfeld der Benutzerschnittstelle müsste spezifischer als bislang auf die Bedürfnisse des jeweiligen Benutzers zugeschnitten sein, damit statische Wiederholungen zugunsten dynamischerer und benutzerindividuellerer Interaktionen reduziert werden.
Starke Worte wählen die Skaylink-Manager zur Modernisierung von Business-Applikationen: „Die Transformation von Geschäftsanwendungen erweist sich als eine gewaltige Aufgabe, die nicht unterschätzt werden sollte. Eine vollständige Automatisierung ist nur ein Hirngespinst. Im Kontext der Digitalisierung kann künstliche Intelligenz jedoch helfen, veralteten Code in moderne Programmiersprachen umzuwandeln. Für die Überprüfung der Ergebnisse ist jedoch nach wie vor menschliches Engagement erforderlich."
Im Fokus sehen Kleesattel und Weiss 2024 darüber hinaus die Zusammenarbeit zwischen KI und Menschen liegen und weniger den Abbau von Personal, auf kleinteiligen Prozessoptimierungen und den täglichen Abläufen statt auf radikalen Veränderungen.. Der Automatisierung durch KI werde in erster Linie eine unterstützende Funktion zukommen. Das heiße aber auch, dass KI nicht unbedingt zu signifikanten Einsparungen bei den Personalkosten führen werde.
Für 2024 rechnet Skaylink mit zwei Phasen beim Digitalisierungsprozess: Die erste Welle werde sich auf die Migration von alten und neuen Lösungen konzentrieren, insbesondere von komplexen Projekten, die bisher nicht angefasst wurden, vor allem auf „ausgemusterte“ Backlogs, die während des eigentlichen Cloud-Migrationsprozesses im Rechenzentrum belassen worden waren, nun aber aufgrund ihrer verlängerten Lebensdauer migriert werden müssten. Bei der zweiten Welle soll es in erster Linie um die kontinuierliche Verbesserung und das frühzeitige Erkennen von Musterng gehen, die zu Fehlern führen könnten.
Eine wachsende Bedeutung in 2024 sieht Skaylink auch für Branchen-Clouds voraus. Zwar böten große Cloud-Anbieter bereits solche Dienste an, aber von der Entwicklung hochspezialisierter Clouds sei man noch weit entfernt. In einem wettbewerbsintensiven Umfeld würden Unternehmen dazu neigen, sich auf die Entwicklung ihrer eigenen Cloud-Lösungen zu spezialisieren, um sich von der Konkurrenz abzuheben. 2024 werde sich dieser Trend fortsetzen, insbesondere in hochspezifischen Fällen.
„2024 liegt der Fokus der Modernisierung vor allem auf den 'Leichen im Keller'.
Kubermatic: Cloudnative Container
Auch die multicoud-basierte Kubernetes-Plattform Kubermatic hat sich Gedanken darüber gemacht, welche Entwicklungen den Cloud-Sektor 2024 prägen werden. Ausgangspunkt von Sebastian Scheele, CEO und Co-Gründer, ist die These: „Cloud-native Technologien wie Container und Kubernetes sind mittlerweile auch in Zentraleuropa angekommen und spielen eine strategische Rolle in der IT-Planung großer und kleiner Unternehmen sowie aber auch in Behörden und anderen Organisationen.“
Von KI und Container erwartet sich Scheele eine gegenseitige Befruchtung: „Bei Unternehmen steigt der Bedarf an Container-Plattformen, um eigene KI-Modelle darauf auszuführen. Für Unternehmen geht es aber auch darum, Vorteile zu nutzen, indem sie den Plattformbetrieb mittels KI vereinfachen, um lästige, sich wiederholende Aufgaben einfach zu lösen. KI ist aber anspruchsvoll und keine Technologie für die Junior-Liga, die sich noch im Lernprozess befindet, sondern setzt fundiertes Fachwissen voraus.“
Auch das Thema Container-Sicherheit wird sich 2024 weiterentwickeln, so Scheele. Er verweist auf die NIS2-Direktive, die im Oktober 2024 in Kraft tritt. Dabei werden ihm zufolge Container-Plattformen zunehmend in den Vordergrund rücken, während ältere IT-Systeme mit der „Cloud nativen“-Entwicklung nicht standhalten könnten. „Cloud-native Technologie bringt von sich aus bereits eine hohe Resilienz mit, stellt Unternehmen aber auch vor neue Herausforderungen,“ erklärt Scheele.
„KI ist anspruchsvoll und keine Technologie für die Junior-Liga, die sich noch im Lernprozess befindet, sondern setzt fundiertes Fachwissen voraus.“
valantic: Cloud als Innovationstreiber
Die Digitalisierungs-Beratung valantic sieht IT-Lösungen aus Cloud als „New Normal“ an und stellt deren positive Einwirkung auf das Tempo von Modernisierung und Innovation in der IT heraus. „Neben den klassischen Vorteilen – in erster Linie die flexible und skalierbare IT-Nutzung sowie minimierte Investitionen und Betriebsaufwände – fördert die Cloud vor allem die schnelle Innovation sowie deren Verfügbarkeit auch für kleinere Unternehmen und die breite Masse. Die rasante Verbreitung von generativer künstlicher Intelligenz wie ChatGPT zeigt das aktuell auf beeindruckende Weise“, findet Senior Manager Stephan Kuhn von valantic.
„Die Cloud fördert die schnelle Innovation sowie deren Verfügbarkeit auch für kleinere Unternehmen und die breite Masse.“
Gartner-Ausblick: Cloud 2028
Trends für mehrere Jahr vorherzusagen, ist nicht immer ganz leicht, weil sich Entwicklungen oft über größere Zeiträume vollziehen. Distinguished VP Analyst Dennis Smith wagte in seiner Session „Die Zukunft der Cloud im Jahr 2028: Von der Technologie zur Geschäftsnotwendigkeit“ auf der IOCS-Konferenz von Gartner in London Ende November dennoch einen weiteren Blick nach vorne, insbesondere auf Schlüsselaspekte wie Multi-Cloud, Branchen-Clouds und souveräne Clouds.
Als Key-Takeaways der Session von Dennis Smith nennt Gartner:
• Cloud Computing entwickelt sich weiter und ist nicht mehr nur ein technologischer Störfaktor, sondern wird im Jahr 2028 eine Notwendigkeit sein.
• Bis 2028 werden mehr als 50 Prozent der Unternehmen keinen Nutzen aus ihren Multi-Cloud-Implementierungen ziehen.
• Bis 2028 werden Cloud-native Plattformen als Grundlage für mehr als 95 Prozent der neuen digitalen Initiativen dienen - im Jahr 2023 waren es weniger als 50 Prozent.
• Bis 2028 werden 70 Prozent der Workloads in einer Cloud-Umgebung laufen, während es 2023 erst nur 25 Prozent waren.
• Bis 2028 werden mehr als 50 Prozent der Unternehmen Branchen-Cloud-Plattformen nutzen, um ihre Geschäftsinitiativen zu beschleunigen.
• Bis 2028 werden mehr als 50 Prozent der multinationalen Unternehmen eine Strategie der digitalen Souveränität verfolgen, derzeit sind es noch unter 10 Prozent.
• Bis 2028 wird der Prozentsatz der Global-2000-Unternehmen, die der Nachhaltigkeit bei der Beschaffung von Lieferanten Priorität einräumen, auf über 50 Prozent ansteigen. Im Jahr 2023 waren es noch weniger als 25 Prozent.
• Die Einführung von KI wird bis 2028 dazu führen, dass über 50 Prozent der Cloud-Computing-Ressourcen für KI-Workloads verwendet werden. Im Jahr 2023 waren es noch weniger als 10 Prozent.